Back to the moods - Was Stimmung mit Erfolg zu tun hat

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Kennen Sie noch Hans Rosenthal? Den Showmaster?
Fangen wir anders an: Alles begann vor fast 140 Jahren. Am 23. August 1887. In England. An diesem Tag wurde das britische Handelsmarkengesetz „Merchandise Marks Act“ beschlossen. So weit, so unbekannt. In dem Gesetz wurde festgelegt, dass Produkte aus Deutschland ab sofort den Schriftzug „Made in Germany“ tragen mussten, weil die Produkte aus Deutschland damals Kopien in minderer Qualität waren. Der Hinweis „Made in Germany” sollte Konsumenten vor minderwertigen Produkten aus Deutschland warnen. Soweit zur bekannten Absicht.

Deutschland hat es nach und nach geschafft, diese beabsichtigte Stimmung gegen die eigenen Produkte zu drehen. Internationale Anerkennung und wirtschaftlicher Erfolg sorgten für das entsprechende Selbstbewusstsein der deutschen Hersteller und Industrie. „Sie sind der Meinung: Das war spitze!“Die Stimmung, die Laune, der Wohlstand stiegen!

Was der berühmte deutsche Showmaster Hans Rosenthal in seiner damaligen Show „Dalli Dalli“,stets mit einem Luftsprung begleitend, dem deutschen Volk zugerufen hat, das rief Begeisterung hervor. Er rief: „Sie sind der Meinung: Das war …“ und das Publikum rief ihm entgegen „Spitze!“ – „Spitze“ ist ein Ausdruck für höchste Qualität. Einigkeit. Im Geiste hüpfte eine ganze Nation mit Rosenthal in die Luft! Top-Stimmung! Soweit zur Show.

In der Wirklichkeit setzte sich diese lebendige vorwärtsgewandte Stimmung fort. Deutsche Produkte wurden immer besser, einzigartiger und erfolgreicher. Aus dem englischen „Makellabel“ ist ein weltweites Qualitätslabel entstanden: 100-prozentiger Fokus auf Qualität, Kundenerwartung und Fortschritt. „Made in Germany“ war über Jahrzehnte hinweg ein einzigartiger Qualitätsstandard. War! Es ist anders geworden. Nun hat die lebendige Laune lauter Löcher.

Ein Blick auf Deutschland: Digitalisierungsdrama, marode Infrastrukturen, uferlose Bürokratie, veränderungsresistente Branchen, Fachkräftemangel, sinkende Wettbewerbsfähigkeit … „Spitze“ war irgendwie gestern. Wo ist sie also hin, die Klammer, die unser „Spitze-Sein“ ausmachte? Haben wir als Nation eine neue Klammer?

John F. Kennedy rief seinen Leuten 1962 zu: „Einige sagen, warum der Mond? Warum wählen wir ihn als unser Ziel? Und sie könnten genauso gut fragen, warum den höchsten Berg besteigen? Warum vor 35 Jahren den Atlantik überfliegen? Wir haben uns entschlossen, zum Mond zu fliegen. Wir haben uns entschlossen, noch in diesem Jahrzehnt zum Mond zu fliegen – nicht, weil es leicht ist, sondern weil es schwer ist.“ Kann das „Schwer“ heute noch als Motivation funktionieren? Der Erfolg unserer Industriegesellschaft hat für einen sehr angenehmen Wohlstand gesorgt. Vor allem auch, aber nicht nur in Deutschland. Das ist noch immer so. Wir sind unendlich weit von einer Zero-Base, von einer Not entfernt. Und wenn wir von „WAR spitze“ sprechen, dann dürfen wir schon auch so ehrlich mit uns selbst sein, dass wir noch immer sehr weit oben an der Spitze stehen. Aber es bröckelt. Und das gewaltig. Das hat sehr viel mit uns selbst zu tun.

Wir müssen nicht unseren gesamten Kontext aufzählen. Wir kennen ihn alle. Und andere nehmen uns selbst auch als Kontext wahr. Viele Menschen sehen Deutschland mittlerweile als zu arrogant, zu moralisch oder (noch) zu dominant. Die Stimmung sinkt und man ist versucht zu sagen: Wir brauchen wieder Hans Rosenthal. Er machte uns ja immer nur den Vorschlag: „Sie sind der Meinung, das war …!“ Das „Spitze“ kam dann von uns! Und das ist wichtig, denn nun tritt ein anderer Rosenthal, nämlich Robert Rosenthal, ein Sozialpsychologe, auf den Plan. Er hat in den 60er Jahren des letzten Jahrtausends experimentell belegt, dass schlechte Stimmung viel mehr ist als einfach nur schlechte Stimmung. Der sogenannte Rosenthal-Effekt beschreibt das Phänomen, dass die Erwartungen eines Versuchsleiters die Leistung der Versuchspersonen beeinflussen können. In einem von ihm und Lenore Jacobson durchgeführten Experiment im Jahr 1966 wurde Lehrkräften gesagt, dass bestimmte Schülerinnen und Schüler besonders intelligent seien. Obwohl diese rein zufällig ausgewählt wurden, zeigten sie am Ende des Schuljahres tatsächlich bessere Leistungen als ihre Mitschüler. Man könnte, um aktueller zu sein, auch die deutsche Fußballnationalmannschaft im Jahr 2024 nehmen. Auch dort ist vor allem mit der Stimmung gearbeitet worden. Und es hat – bisher – auch ziemlich gut geklappt. Erwartungen und Vorurteile beeinflussen das Verhalten und die Leistung von Menschen erheblich. Damit ist UNSERE heutige Stimmung maßgeblich für UNSERE Zukunft. Wir dürfen eines nicht vergessen: Zukunft passiert nicht einfach: Wir machen sie! Und ist es nicht so, dass ein Jahresanfang immer eine Zäsur darstellt? Was also, wenn wir für uns selbst festlegen, dass das Jahr 2025 besser, vielleicht sogar spitze wird? Und dann danach handeln?

Wir stehen als Nation politisch, gesellschaftlich und wirtschaftlich vor enormen Herausforderungen. Darüber müssen wir uns als Akteure (!) erst einmal bewusst werden. Wer sind wir? Was zeichnet uns aus? Wo wollen wir hin? Für was stehen wir? Und für was stehen wir nicht und wo wollen wir auch in Zukunft nicht stehen? Haben wir neben „Made in Germany“ nicht auch das Label „Dichter und Denker“? Wie wäre es, wenn wir das Denken ganz nach vorn stellen und bei einer herausragend produktiven handelnden Wissensgesellschaft landen? Zuverlässig, robust und different? „Lass uns tun, was geht!“ singt Heinz-Rudolf Kunze auf seinem aktuellen Album. Tun!

Wir sind derzeitig ziemlich einig der Meinung, dass hier bei uns überhaupt nichts mehr geht. Das trifft in mancher Hinsicht zu. Aber sicher nicht in allen Belangen. Insofern wäre es mehr als sinnvoll, gerade am Anfang eines Jahres, dass wir unseren Kontext einmal realistisch betrachten und bewerten. Es ist beileibe nicht alles schlecht – und es gibt enormen Handlungsbedarf. Handlungs-, nicht Diskussions- und Lamentierbedarf. Hans Rosenthal ist nicht mehr da. Wir sind für uns selbst verantwortlich. Wir brauchen ein neues „Made in Germany“! Wir alle brauchen eine bessere Stimmung und ein darauf gründendes Tun. Jetzt, 2025, ist dafür ein richtig guter Zeitpunkt. Weil: Ein besserer wird erstmal nicht kommen. Also: Lasst uns tun, was geht!

Artikelnr: 275676