Unternehmergeist und Pioniermut gefragt
Der DIHK-Report Unternehmensgründung gibt jährlich eine Einschätzung zu Gründungen in Industrie, Handel und den Dienstleistungsbranchen in Deutschland. Die Ergebnisse sind ernüchternd. Bei der IHK Niederbayern gab es 2024 durchaus Interesse für Neugründungen.
Die fast 1.000 angehenden Unternehmer, die sich an der Befragung der DIHK und der IHKs beteiligten, bewerteten den Gründungsstandort Deutschland 2024 mit einer 3,6 gerade einmal als „ausreichend“, ein deutlicher Rückgang gegenüber den Vorjahren. Dabei hatten die Rahmenbedingungen hierzulande im Urteil der Jungunternehmer schon zuvor mit 3,3 (2020 und 2021) beziehungsweise 3,4 (2022 und 2023) lediglich „befriedigend“ abgeschnitten.
Neben der konjunkturellen Lage gibt es zahlreiche strukturelle Hemmnisse für das Unternehmertum, wie die Beratungsgespräche der IHKs zeigen. Insbesondere sind es die hohe Regulierungsdichte und hohe Kosten, die zusätzlich zu den Unsicherheiten über das geschäftliche Umfeld viele potenzielle Gründer davon abhalten, sich selbständig zu machen.
„Ich mache mir große Sorgen um unseren Standort“, kommentiert DIHK-Präsident Peter Adrian die Ergebnisse der Umfrage. „In der Industrie sehen wir schon fast einen Abschied auf Raten durch verstärkte Produktionseinschränkungen und Abwanderungstendenzen. Wenn jetzt auch noch immer weniger Menschen hierzulande Unternehmen gründen wollen, gehen uns wichtige Potenziale für Wachstum und Innovationen verloren.“ Die Entwicklung sei „auch deswegen sehr bedenklich, weil sich der Rückgang des Gründungsinteresses nicht allein durch demografische Veränderungen erklären lässt“, so der DIHK-Präsident. „Unternehmergeist und Pioniermut brauchen wir angesichts der aktuellen Herausforderungen umso mehr.
Einen solchen Spirit müssen wir mehr unterstützen. Mich als Unternehmer betrübt es sehr, wenn die Rahmenbedingungen für unternehmerisches Handeln immer schwieriger werden und Gründer sich entmutigt fühlen.“
Manfred Högen ist Gründungsberater bei der IHK Niederbayern. „Erfreulich ist, dass durch unser intensives Engagement trotzdem immer Nachfrage an Beratung besteht und auch die Gründungsinformationstage gut angenommen werden. Allerdings kann das keine guten wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen für Unternehmensgründungen ersetzen“, gibt Högen zu bedenken. Grundlage für die DIHK-Bewertungen des Gründungsstandortes sind Erfahrungsberichte der rund 350 IHK-Existenzgründungsberater aus den 79 Industrie- und Handelskammern sowie eine Auswertung zum IHK-Gründungsservice.
Interessant sind die Zahlen und Auswertungen für Niederbayern: Die Beratung zur Existenzgründung wurde im Jahr 2024 von mehr Männern (57 %) als Frauen (43 %) genutzt. Dabei fiel auf, dass fast ein Drittel der Beratenen aus dem Landkreis Passau kommt, gefolgt von den Landkreisen Landshut (24 %) und Straubing (15 %). Die wenigsten Beratungen wurden in den Landkreisen Dingolfing-Landau, Freyung-Grafenau und Regen durchgeführt.
Teilt man die Beratungen in Branchen ein, wird deutlich, dass der größte Anteil mit 36 % von den personenbezogenen Dienstleistungen eingenommen wird, gefolgt vom Handel (27 %) und unternehmensnahen Dienstleistungen (18 %). Knapp die Hälfte der Existenzgründer haben eine abgeschlossene Berufsausbildung im Hintergrund. Bei den neu gegründeten Firmen handelt es sich zum größten Teil (85 %) um Einzelunternehmen und GbRs. Danach folgen mit 10 % GmbHs oder Unternehmergesellschaften. Etwas mehr als 50 Prozent gründen im Hauptgewerbe, alle anderen im Nebenerwerb.
In Niederbayern lassen sich meistens Angestellte (47 %) und Menschen ohne Arbeit (36 %) beraten. Der restliche Teil besteht aus Studenten, Selbstständigen und anderen. 78 % aller Beratenen sind deutsch. Knapp 15 % haben eine Staatsangehörigkeit in Drittländern, 7 % kommen aus der EU. Bei der IHK Niederbayern wurden im Zeitraum Januar bis Oktober 2024 insgesamt 219 Existenzberatungen durchgeführt.
Positiv: Frauen gründen
Der Anteil der gründungsinteressierten Frauen steigt auf Rekordwerte, wie eine Sonderauswertung des aktuellen DIHK-Reports zeigt. Demnach sind mittlerweile knapp die Hälfte der von den IHKs zur Gründung Beratenen weiblich. In Niederbayern sind dies 43 Prozent. Zentrale Triebfeder für die Frauen ist dabei die mit der Selbständigkeit gewonnene Flexibilität. Im Mittelpunkt steht die Chance, eigene Ideen umzusetzen und selbstbestimmt zu arbeiten. Die bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Familie spielt eine entscheidende Rolle. Für rund drei Viertel gehören finanzielle Anreize ebenfalls zu den Hauptmotiven. Diese können auch darin bestehen, zunächst im Nebenerwerb ein zusätzliches Einkommen zu erwirtschaften und nach der Startphase die unternehmerische Selbständigkeit zum Hauptstandbein zu machen. „Die IHK tut seit Jahren viel dafür, Frauen zum Gründen von Unternehmen zu ermutigen. Auch Netzwerke wie die Business Women IHK leisten durch ihre Vorbildfunktion einen wichtigen Beitrag“, sagt DIHK-Vize-Präsidentin Kirsten Schoder-Steinmüller. All das aber könne gute wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen nicht ersetzen. „Wenn Gründer und Start-ups dem Gründungsstandort Deutschland mittlerweile nur noch ein ‚ausreichend‘ verpassen, dann könnten die Warnsignale für die Politik kaum größer sein”, so Schoder-Steinmüller. „Deutliche Entlastung von Bürokratie, ein einfacheres Steuerrecht, niedrigere Energiepreise und mehr Verständnis für das Unternehmertum in der Gesellschaft auch hinsichtlich besserer Betreuungsmöglichkeiten für Kinder – das wollen Gründerinnen und Gründer gleichermaßen und darauf sollte die Politik hören.“
Manfred Högen
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