17.12.2025
Beim IHK-Industrieausschuss entlädt sich der Frust
Niederbayerns Industrie äußert scharfe Kritik an der Wirtschaftspolitik
Industrieunternehmer aus ganz Niederbayern sind im Rahmen des IHK-Fachausschusses Industrie bei der Firma Micro-Epsilon in Ortenburg zusammengekommen. Gedacht war der Termin als Netzwerktreffen mit Einblicken in die Produktion vor Ort – doch zu Beginn entlud sich bei den Ausschussmitgliedern massiver Frust über die derzeitige Wirtschaftspolitik. Die Unternehmensvertreter übten zum Teil scharfe Kritik, die an Deutlichkeit nichts vermissen ließ. Der Ausschussvorsitzende Professor Andreas Buske (Zwiesel Fortessa AG, Zwiesel) setzte direkt den Ton: „Es vergeht nahezu kein Tag ohne Nachrichten über Produktionsverlagerungen, Umsatzeinbußen oder Stellenabbau in unserer Industrie. Die Arbeitsplätze, die jetzt verlorengehen, kehren niemals wieder zurück. Was muss noch passieren, damit die Politik aufwacht und endlich bemerkt, dass falsche Schwerpunkte und fehlender Reformwille die Substanz unserer Wirtschaft angreifen?“
"Jeder Monat ohne strukturelle Reformen kostet unser Land Wettbewerbsfähigkeit, Arbeitsplätze und Wohlstand"
Der Gastgeber Professor Martin Sellen (Micro-Epsilon, Ortenburg) betonte, dass nicht nur die Betriebe selbst betroffen sind. „Deutschland hinkt der Weltwirtschaft hinterher. Jeder Monat ohne strukturelle Reformen kostet unser Land Wettbewerbsfähigkeit, Arbeitsplätze und Wohlstand. Das ist die Rechnung, die wir der Regierung vorhalten müssen“, sagte Sellen. Martin Kremsreiter (PARAT, Neureichenau) erinnerte an gute Ansätze im Koalitionsvertrag der Bundesregierung, die aber nicht umgesetzt würden: „Meine Geduld ist zu Ende. Es ist zu einfach, auf Zwänge in der Koalition zu verweisen. Wir haben massive Probleme, die Parteipolitik muss demgegenüber zurückstehen. Die Regierung muss jetzt und sofort den Weg frei machen für tiefgreifende Reformen, die auch für alle Einschnitte mit sich bringen.“
„Die Wirtschaft, die Industrie und der regionale Mittelstand sind nicht die ‚Gegner‘ des Landes – sondern sie halten das Land am Laufen!"
Welche Probleme das sind, daran ließen die Industrieunternehmer keinen Zweifel. Die Rede war von „Bürokratie-Irrsinn“ und „sinnlosen Dokumentationspflichten“, von einer „verkorksten Energiepolitik“, von „mangelnder Planbarkeit“ oder von „Realitätsverlust in der Politik“. Als eines der größten Probleme benannten die Industrieunternehmer die ausufernden Kosten am Standort Deutschland. „Die hohen Energiekosten, das überdurchschnittliche Lohnniveau sowie die immer weiter steigenden Lohnnebenkosten werfen den Wirtschaftsstandort im internationalen Wettbewerb zurück“, verdeutlichte Christian Boxleitner (Mesutronic, Kirchberg im Wald). Das sah auch Michael Frankl (Sonplas, Straubing) so: „Es genügt nicht, Anreize für Leistung zu setzen, es braucht auch klare Konsequenzen, wenn man sich entzieht. Denn solange es steuerlich belohnt wird, weniger zu arbeiten, statt Mehrarbeit zu honorieren, läuft etwas grundlegend falsch.“ An wen sich diese Forderung richtet, stellte Boris Schneidhuber (AKE technologies, Passau) klar: „Die Wohltaten müssen zurückgefahren werden. Voraussetzung dafür ist mehr Realitätssinn, nicht nur in der Politik, sondern etwa auch bei den Gewerkschaften.“ Daniel Rauh (Dobler Metallbau, Deggendorf) merkte an, dass alle Ausgaben einer Regierung erst einmal erwirtschaftet werden müssen. Auch mit Blick auf die vergangenen Äußerungen der Bundesarbeitsministerin brachte er es auf den Punkt: „Die Wirtschaft, die Industrie und der regionale Mittelstand sind nicht die ‚Gegner‘ des Landes – sondern sie halten das Land am Laufen! Der Mittelstand schafft Arbeitsplätze, sorgt für Wohlstand und finanziert den Staat.“
"Im dritten Jahr ohne Wachstum muss die Politik den Schulterschluss mit den Unternehmen suchen"
IHK-Hauptgeschäftsführer Alexander Schreiner bekräftigt, dass die Politik diese Stimmen aus den Betrieben ernst nehmen müsse: „Niederbayern ist von seiner Industrie geprägt und zum großen Teil von ihr abhängig. Die niederbayerische Industrie sorgt für eine Wertschöpfung von über 40 Prozent im IHK-Bezirk. Wenn die Industrie wegbricht, trifft das die gesamte regionale Wirtschaft. Im dritten Jahr ohne Wachstum muss die Politik den Schulterschluss mit den Unternehmen suchen. Sie stehen bereit für gemeinsame Lösungen, fordern aber auch mehr Tempo und Mut.“