15.10.2025

„Schwäche der Wirtschaft ist eine Schwäche des Standorts“

close-up of various financial charts and graphs with a blue theme, highlighting different types of data presentations such as pie charts, bar graphs, and line charts.
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Niederbayerns Wirtschaft macht im Herbst Schritte aus der Talsohle, ist aber von alter Stärke weit entfernt. Das zeigt die aktuelle IHK-Konjunkturumfrage unter den Betrieben aus Industrie, Handel, Dienstleistungen und Tourismus. Der Konjunkturklimaindikator, für den Lage und Erwartungen in der Wirtschaft miteinander verrechnet werden, ist um vier Punkte gestiegen. Trotzdem verharrt dieser Wirtschaftsindikator seit über drei Jahren unter dem langjährigen Durchschnitt.

IHK-Hauptgeschäftsführer Alexander Schreiner erläutert die Umfrageergebnisse: „Die Bewertungen haben sich seit der letzten Umfragerunde im Frühjahr nun zum zweiten Mal verbessert, wenn auch ausgehend von einem niedrigen Niveau. Die Wirtschaft macht also Schritte aus der Talsohle, ist aber von alter Stärke noch weit entfernt.“ Auffällig dabei: Verbesserungen gibt es in nahezu allen abgefragten Kategorien. Aktuelle Geschäftslage, Geschäftserwartungen für die Zukunft und erstmals auch die Investitionspläne ziehen an. Nur bei der Frage nach den Beschäftigungsplänen sinkt der Indikator auf einen neuen Tiefstand.

Jeder fünfte Betrieb rechnet mit schlechteren Geschäftszahlen in der Zukunft

„Dass sich die Beschäftigung entgegen dem Gesamttrend entwickelt, muss Sorge bereiten. Besonders die Tourismusbetriebe nehmen ihre Beschäftigungspläne deutlich zurück. In anderen Branchen gibt es ebenfalls Rückgänge oder höchstens eine Seitwärtsbewegung. Damit wird auf dem Arbeitsmarkt immer stärker sichtbar, wie angespannt die wirtschaftliche Lage weiterhin ist“, verdeutlicht Schreiner. Deswegen können auch nicht alle Betriebe die gestiegene Zuversicht teilen: Jeder Fünfte rechnet mit schlechteren Geschäftszahlen in der Zukunft, dieser Anteil ist seit dem Frühjahr nahezu gleichgeblieben.

Industriebetriebe sehen gravierende Probleme als "neue Normalität"

Der Blick in die einzelnen Wirtschaftsbereiche schränkt die positiven Botschaften aus der aktuellen Umfrage zusätzlich ein. So leiden etwa die Händler unter der ausgeprägten Kaufzurückhaltung der Verbraucher. Entsprechend niedrig sind die Erwartungen für das anstehende Weihnachtsgeschäft. Zusammen mit dem Tourismus hat der Handel die schlechtesten Zukunftsaussichten aller Branchen.

Eine genauere Betrachtung lohnt sich außerdem bei der niederbayerischen Schlüsselbranche Industrie. Hier gehen die Risikobewertungen zurück und die Geschäftslage liegt seit dem Frühjahr 2024 erstmals wieder im Plus. Für Schreiner ist das jedoch ein eher ernüchterndes Ergebnis: „Nach Einbrüchen, wie wir sie zuvor noch nie gesehen hatten, akzeptiert die niederbayerische Industrie die gravierenden Probleme zunehmend als ‚neue Normalität‘. Die Unternehmen finden sich notgedrungen mit den hohen Kosten und den vielfältigen Belastungen am Standort ab und suchen sich neue Perspektiven. Dass aus der Politik schnelle und spürbare Verbesserungen oder Wachstumsimpulse kommen, glaubt in der Industrie keiner mehr“, sagt dazu Hauptgeschäftsführer Schreiner.

IHK-Präsident sieht Alarmsignale in den Auftrags- und Umsatzzahlen

Hier setzt IHK-Präsident Thomas Leebmann mit seiner Einordnung der Konjunkturumfrage an. Er sieht ein Alarmsignal in den Auftrags- und Umsatzzahlen, die in der Umfrage ebenfalls abgefragt werden. „Die geringe Inlandsnachfrage ist ein Problem für alle Unternehmen, aus dem Ausland geht das Volumen aber ebenso zurück. Sogar aus der nahen Eurozone bleiben Aufträge für die regionalen Betriebe aus. Das zeigt, wie sehr der Wirtschaftsstandort Deutschland im weltweiten Wettbewerb zurückgefallen ist“, kritisiert Leebmann. Er zählt die Negativ-Faktoren auf, die in der IHK-Umfrage noch einmal bestätigt wurden: Bürokratiebelastung, hohe Energie- und Rohstoffpreise, Personalprobleme sowie nicht zuletzt die Arbeitskosten, die wegen der anstehenden Mindestlohnerhöhung und ihren direkten wie indirekten Folgen noch weiter steigen.

„Die Schwäche unserer Wirtschaft ist in Wahrheit eine Schwäche des Standorts. Würden an diesen Punkten und darüber hinaus mutige und entschlossene Reformen durchgesetzt, dann wäre bei unseren Unternehmen vor Ort wieder Luft für Wachstum und Innovation“, bekräftigt der IHK-Präsident.

Fast 400 regionale Unternehmen aller Branchen und Größen wurden für den IHK-Konjunkturbericht befragt. Eine detaillierte Auswertung der Umfrage ist hier verfügbar.