5. Niederbayerische Wirtschaftsgespräche

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© IHK Niederbayern

Die wirtschaftliche Lage in Deutschland bleibt angespannt. ifo-Präsident Clemens Fuest fand bei seinem Vortrag im Rahmen der 5. Niederbayerischen Wirtschaftsgespräche in Dingolfing deutliche Worte in Richtung Berlin.

Das Wirtschaftswachstum ist seit Jahren gleich Null, die Inflation ist nach wie vor hoch, das Beschäftigungsbarometer zeigt nach unten, die Investitionsausgaben liegen unter dem Niveau von 2019 – kurzum: Die wirtschaftliche Lage in Deutschland ist prekär. Das machte ifo-Präsident Clemens Fuest bei seinem Vortrag im Rahmen der 5. Niederbayerischen Wirtschaftsgespräche vor über 500 Gästen in der Stadthalle Dingolfing deutlich.

IHK-Präsident Thomas Leebmann sprach in seiner Einführung die wachsende Unzufriedenheit der Unternehmer mit der aktuellen Wirtschaftspolitik an. Die Politik gehe etwa den Abbau der Bürokratie nicht schnell genug an, die Genehmigungsverfahren seien nach wie vor viel zu langsam, die Energiepreise im internationalen Wettbewerb deutlich zu hoch. Die 79 deutschen IHKs hätten sich aktiv in Wahlkampf, Sondierung und Koalitionsverhandlungen eingebracht und zahlreiche Positionen und Forderungen vorgelegt, die eine neue Bundesregierung in ihren ersten 100 Tagen umsetzen könnte, um die Betriebe zu entlasten und das so dringend erwartete Aufbruchssignal zu senden. „Wir brauchen eine sofortige Kehrtwende in der Wirtschaftspolitik, mit Fokus auf Wachstum, Effizienz und Verlässlichkeit. Mit der Zielrichtung auf mehr Arbeit statt weniger und mit einer neuen Grundhaltung des Vertrauens gegenüber der Wirtschaft, statt übergriffiger Kontrollen und Vorgaben“, sagte Leebmann.

Professor Clemens Fuest ist Präsident des Münchener ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung und einer der vier Ökonomen, die CDU, CSU und SPD nach der Bundestagswahl zu finanzpolitischen Reformen beraten haben. Er legte zunächst die vom ifo-Institut ermittelten ernüchternden Zahlen vor. „2025 erwarten wir nicht mehr als Stagnation“, stellte er fest. Thematisch bestätigte er auch wissenschaftlich die Forderungen von IHK-Präsident Leebmann. Deutschland bliebe wesentlich hinter den anderen Industrienationen zurück. Die Unternehmen seien verunsichert und damit zurückhaltend bei Investitionen, während die Regierung zu wenig Fokus auf Wachstum lege. Eine klare und vor allem langfristige Strategie sei aktuell noch nicht erkennbar, jedoch die unerlässliche Basis für eine erfolgreiche Zukunft. Beim Kernthema Finanzierung vertrat Fuest eine klare Meinung: Wichtige Ausgaben wie für die Verteidigung dürften nicht auf Dauer aus Schulden finanziert werden. Die derzeitige Stagflation, also die aktuelle konjunkturelle Situation, bei der die Inflation steigt obwohl es kaum Wirtschaftswachstum gibt, ist aus Sicht von Fuest unter den aktuellen Voraussetzungen nur schwer zu handhaben. Einen Schlüssel zum wirtschaftlichen Aufschwung sieht der ifo-Präsident im Bürokratieabbau. Der Vergleich mit Ländern wie Schweden oder Frankreich zeige, dass auch die deutsche Wirtschaftsleistung bei höherer Effizienz um 140 Milliarden Euro steigen könnte.

Mit Blick beispielsweise auf die USA wies Fuest darauf hin, dass hier seit Jahrzehnten bereits erfolgreich in Hochtechnologien investiert werde. Deutschland hingegen hinke hinterher. Während auch andere europäische Nationen längst massiv in Wachstumsbranchen wie IT oder die Pharmaindustrie investierten, sei Deutschland „immer noch auf Autos und Stahlbau fokussiert“.

Was die geopolitischen Voraussetzungen betrifft, machte Fuest deutlich, dass neben den USA mit Russland oder China weitere Risiken im Raum stehen. Er betonte aber auch, dass der deutsche Außenhandel sehr stark diversifiziert und damit möglicherweise resilienter als angenommen sei. Dem Strukturwandel bei steigendem Protektionismus sei vor allem mit der Investition in neue Technologien zu begegnen.

Deutschland muss mehr arbeiten

Bezüglich der geleisteten Arbeitsstunden ist Deutschland in der Liste der OECD-Staaten das Schlusslicht. „Niemand arbeitet so wenig wie wir“, brachte es Fuest bei diesem Thema auf den Punkt. Nicht nur das „Brutto-Netto-Thema“ sei hierfür verantwortlich, sondern auch die Nichtvereinbarkeit von Familie und Beruf in Deutschland. Immer noch seien viel zu wenig Frauen in Vollzeit auf dem Arbeitsmarkt vertreten. Auch hier sei die Politik gefordert, schnellstmöglich bessere Bedingungen zu schaffen, um die hohe Zahl an Teilzeitbeschäftigten zu reduzieren.

Beeindruckt zeigten sich die Teilnehmer von einer auf den ersten Blick einfachen Liste, auf der Clemens Fuest mit nur sieben Positionen Einsparmöglichkeiten in Höhe von 94 Milliarden Euro aufzeigte, etwa durch die Umsatzsteuererhöhung um einen Prozentpunkt. Die Prioritäten für eine künftige deutsche Wirtschafts- und Finanzpolitik sind aus Sicht des ifo-Institutes ganz klar: Wehrhaftigkeit steigern mit neuesten Technologien, ein Infrastrukturkonzept 2040 entwickeln, Planungs- und Genehmigungsverfahren vereinfachen, die Staatsausgaben senken, Reformen für Arbeit und Bürokratie sowie ein langfristiges Ziel für allgemeine Innovationen und Unternehmensgründungen.

„Wenn wir jetzt sofort beginnen, dann kann der Umschwung noch gelingen“, sagte Fuest. Die Politik müsse jedoch Mut beweisen und dürfe Reformen nicht verschieben aus Angst vor den Reaktionen der Wähler.

Artikelnr: 289713