„Es wird ein schweres Jahr für Pendler und Betriebe“

Das deutsche Schienennetz ist marode und störanfällig. Im Rahmen einer Generalsanierung plant die Deutsche Bahn die höchstbelasteten Strecken fit für die Zukunft zu machen. Die Strecke Nürnberg-Regensburg wird vom 6. Februar bis 10. Juli 2026 vollständig gesperrt und vom 14. Juni bis 12. Dezember 2026 ist Obertraubling-Passau nicht befahrbar. Es trifft den Personen- und Güterverkehr.

Die zweistufige Generalsanierung der Strecke zwischen Nürnberg und Passau wird unter einer mehrmonatigen Totalsperrung durchgeführt. Ziel ist es, die teils aus den 1950er und 1960er Jahren stammende Infrastruktur nachhaltig zu verbessern, die Leistungsfähigkeit zu steigern und die Pünktlichkeit im Bahnverkehr deutlich zu erhöhen. „Das Verkehrsvolumen steigt. Noch nie waren mehr Personen und Güter auf unserem Schienennetz unterwegs als heute. Die Infrastruktur ist überholt und durch überalterte und unterfinanzierte Infrastruktur wächst das hochbelastete Netz weiter. Die Pünktlichkeit ist nachweislich auf einem Rekordtief“, sagt Thomas Graupe, stv. Hauptgeschäftsführer der IHK Niederbayern. Bei einem Treffen mit der Deutschen Bahn bei der IHK Regensburg wurde der aktuelle Stand der Vorbereitungen beleuchtet.

Ziel der Sperren

Störungsresistente Anlagen sollen künftig für eine zuverlässigere Infrastruktur sorgen und die Pünktlichkeit erhöhen. „Wir reduzieren zukünftige verkehrliche Einschränkungen auf ein Mindestmaß und schaffen so mehr Planbarkeit für unsere Kunden“, so Maria Söylemez, Leiterin Generalsanierung Nürnberg-Regensburg DB InfraGO Süd. Gleise, Weichen, Oberleitungen und Bahnhöfe benötigten eine umfassende Erneuerung, um den zukünftigen Anforderungen gerecht zu werden. Anstatt vieler kleinerer Baustellen und Reparaturen wie bisher werden künftig vielfach Generalsanierungen stattfinden. So könnten gleichzeitig alle Gewerke in Angriff genommen werden bis hin zu Brücken und Bahnübergängen. „Für mehr Flexibilität im Betrieb entstehen zusätzliche Weichenverbindungen, sogenannte Überleitstellen, so dass Züge einander auch überholen können“, so Söylemez.

Zeitplan und Maßnahmen

Ab 6. Februar bis 10. Juli 2026 werden zwischen Regensburg und Nürnberg rund 80 Kilometer Gleise, 60 Kilometer Oberleitungen und 40 Weichen erneuert sowie 20 Bahnhöfe „attraktiviert“. Die Arbeiten umfassen auch die Erneuerung der Stellwerke sowie die Verbesserung der Infrastruktur im Umfeld der Strecke.

Im 2. Halbjahr von 14. Juni bis 12. Dezember 2026 folgt dann der Streckenabschnitt Obertraubling-Passau. 115 Kilometer Gleise, also 50 Prozent, 60 Kilometer Oberleitungen (25 Prozent), 94 Weichen (45 Prozent) und 8 Bahnhöfe werden dort in Angriff genommen

Moorstelle Osterhofen

Die Moorstelle in Osterhofen stellt eine besondere bauliche Herausforderung dar und macht die Vollsperrung im Abschnitt Obertraubling–Passau laut Bahn ebenfalls zwingend erforderlich. Die Moorstelle hat eine Länge von ca. 2 Kilometern. Sie verursacht hohen Instandhaltungsaufwand aufgrund von Längshöhen- und Richtungsfehlern. Derzeit besteht dadurch eine Langsamfahrstelle. Die Ertüchtigung erfolgt im Fräs-Misch-Injektions-Verfahren in 5–10 Metern Tiefe.

Im Bereich Obertraubling wird die Strecke ebenfalls umfassend modernisiert. Hier stehen die Erneuerung der Oberleitung, die Erneuerung von Weichen sowie die Erneuerung der Stellwerke im Fokus.

Begleitmaßnahmen

Während der Sperrung wird der Zugverkehr auf alternative Routen umgeleitet. Für den Nahverkehr werden laut DB „Ersatzbusse großer Unternehmen“ eingesetzt, um die Mobilität der Fahrgäste zu sichern. Ein vorheriger Probelauf soll für reibungsloses Funktionieren sorgen. Die Bahn hat auch angekündigt, frühzeitig Ersatzverkehrspläne und Maßnahmen zu kommunizieren mit Webcasts, Informationsrunden und Social-Media-Aktionen, um alle Betroffenen bestmöglich auf die Bauphase vorzubereiten. Für den Güterverkehr sind ebenfalls spezielle „Koordinationsmaßnahmen“ geplant, um die Auswirkungen so gering wie möglich zu halten.

Ab Sommer 2025 soll die „aktive Kommunikation“ beginnen: Veröffentlichung der Ersatzverkehrspläne, Vorstellung der Pläne in diversen Formaten, u.a. mit einer Info-Tour entlang der Strecke und Pressegesprächen. Social Media, Gemeindeblätter, Print, Websites: Wichtige Punkte sollen für alle Nutzer schnell und einfach zugänglich sein. Von Seiten der DB sei man auch bereit, die betroffenen Unternehmen bei der Kommunikation, beispielsweise in Form von Newslettern, zu unterstützen.

Ersatzverkehr wirft Fragen auf

Ein „hochwertiger Ersatzverkehr auf der Straße“ soll laut der Deutschen Bahn Stabilität garantieren. Der Ersatzverkehr wird rechnerisch voraussichtlich das 1,5- bis 1,7-fache an Zeit erfordern, so die Bahnsprecher. Kritische Stimmen von Seiten der Unternehmen gibt es weniger wegen der Pendler, sondern vor allem wegen des Güterverkehrs. Viele Gleisanschließer, Logistikunternehmen und Spediteure befürchten, dass die mehrmonatige Sperrung erhebliche Verzögerungen und Mehrkosten verursachen wird. Da die Strecke eine extrem wichtige Verbindung für den Gütertransport ist, könnten die Umleitungen – zum Teil über Österreich oder Tschechien – und Einschränkungen zu längeren Transportzeiten und erhöhten Kosten führen. Verzögerungen würden die Lieferketten stören und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen möglicherweise beeinträchtigen. Hier baten die Bahnvertreter darum, die angebotenen Alternativen „auszuprobieren und sich überzeugen zu lassen, dass es klappt.“ Auf den Einwand, man hätte die Ertüchtigung auch im laufenden Betrieb durchführen können, widersprachen die DB-Verantwortlichen: Die Dauer für alle Sanierungsmaßnahmen läge dann bei „bis zu 15 Jahren“.

Digitalisierung

Das Zugbeeinflussungssystem European Train Control System (ETCS), Teil des European Rail Traffic Management System (ERTMS), war ebenfalls Thema. Die generalsanierten Strecken sollen nach den Ertüchtigungsmaßnahmen „ETCS-ready“ sein, so dass hier die Weichen für den reibungslosen grenzüberschreitenden Zugverkehr in Europa gestellt werden. Damit wären die Voraussetzungen geschaffen, um die Effizienz und Sicherheit im Bahnverkehr weiter zu erhöhen.

Kosten und Ausblick

Zu den Kosten des kommenden Projektes konnten keine konkreten Angaben gemacht werden, es fehlen laut Bahnsprecher noch „rechtssichere Angaben“.

Die Skepsis der Unternehmen bleibt in Summe groß, dass das Unterfangen reibungslos ablaufen wird. „Es wird ein schweres Jahr für Pendler und Betriebe, aber danach wird es sicher deutlich besser“, so die Leiterin Generalsanierung. „Wir wollen jetzt die Sperrungen für alle sinnvoll nutzen und am Ende sollen alle sagen können: Wir haben das geschafft“, lautete das Fazit ihrer Ausführungen.

Die IHK Niederbayern appelliert an die Verantwortlichen bei der Bahn, die Planungen in enger Abstimmung mit den regionalen Unternehmen, Kommunen und Kammern weiterzuentwickeln. „Eine verträgliches Sanierungskonzept gelingt nur mit der Wirtschaft, nicht gegen sie“, betont Thomas Graupe.

Artikelnr: 271867

Dr. Tobias Maier

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